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Edelgard Struss

Kriminalpolizist

   "Klatsch und Kultur sollte man nie vernachlässigen", empfahl Cheng und studierte erneut die beiden Leichname. Dabei fragte er Straka, ob er nicht vorhabe, das Gebäude nach einer Tatwaffe oder gar nach dem Täter absuchen zu lassen. Allzu lange könne das Verbrechen ja nicht zurückliegen.
   "Das nicht", sagte Straka, "aber Sie sehen ja selbst, daß hier kein Laie am Werk war. Natürlich werde ich suchen lassen. Aber was können wir schon finden? Wir finden selten etwas. Beziehungsweise finden wir viel zuviel, um uns ein vernünftiges Bild machen zu können. Die moderne Spurensicherung ist wie das Internet. Eine gewaltige Masse chaotisch verteilter Informationen. Mit dem Material, das einem die Spurensicherung liefert, könnte man dreißig Leute überführen. Man braucht in der Regel aber nur einen einzigen. Das ist die Schwierigkeit heutzutage. Ich könnte ganz Österreich festnehmen lassen. Aber was nützt mir das?"
  Straka beschwerte sich – und er beschwerte sich zurecht –, daß man im Fernsehen so tue, als würde die moderne Forensik einen jeden Täter an Hand seines Strickpullovers ermitteln können. Schön wär’s! In Wirklichkeit aber würden sich die wenigsten Kriminellen noch darum kümmern, ob sie Spuren hinterließen oder nicht. Diese Leute hätten nämlich begriffen, daß so gut wie alles im Wust unzähliger Partikel und Kleinstteilchen unterging. Im Spurensalat.
   "Ich müßte schon Nobelpreisträger sein“, sagte Straka, „um aus den Untersuchungsberichten einen wirklichen Nutzen zu ziehen."
   "Klingt deprimierend."
   "Das ist es. Aber die Arbeit muß natürlich trotzdem getan werden."

 
S. 460 aus: Heinrich Steinfest, EIN DICKES FELL. Kriminalroman. © Piper Verlag GmbH, München 2006 – Abdruck mit freundlicher Genehmigungdes Verlags